Was bedeuten »Frau« und »Mann«?
Letzte Woche habe ich mir auf Twitter einen Shitstorm eingefangen. Der Grund: Ich habe in einer etwas flapsigen Antwort auf einen Tweet geschrieben, Frauen gäbe es erst seit ungefähr 1000 Jahren.
Ja, ich hätte mich genauer ausdrücken können. »Frauen« und »Männer« gibt es erst seit rund 1000 Jahren. Die heute damit verbundenen Vorstellungen sind jünger. Schaut man in ein etymologisches Wörterbuch, wird deutlich, dass der Begriff Frau:
- mit dem Status des Verheiratet-Seins verbunden war
- im Mittelalter die Anrede für adelige Damen war und
- im Kontrast zu »Weib« stand, das nicht abwertend generisch verwendet wurde.
Ähnliche Überlegungen kann man für »Mann« anstellen, für jede Rollenbezeichnung.
Weshalb ist das relevant, weshalb provoziert dieser Gedanke so viele Menschen?
In der Diskussion um die Rechte von trans Personen wird eine Definition von Frau gepusht, die auf rein biologischen Kriterien basiert. Eine Frau wird, wie im hier zitierten Eintrag, zunächst als »erwachsener weiblicher Mensch« definiert, um dann in einem zweiten Schritt »weiblich« rein biologisch zu definieren (die genauen Kriterien wechseln hier in den Argumentationen, oft werden Gebärfähigkeit, Chromosomen oder Gameten genannt).
Die Funktion dieser Definitionsgeschichte (gepusht durch den populistischen und transphoben Dokumentarfilm »What Is a Woman?« von Matt Walsh) ist es, trans Frauen das Recht und die Möglichkeit zu verweigern, sich als Frauen zu bezeichnen.
Blickt man in die Geschichte solcher Wörter, wird deutlich, dass die Verwendung primär durch soziale Faktoren bestimmt ist, erst sekundär spielen biologische Vorstellungen eine Rolle. Diese Vorstellungen sind aber nicht direkt an biologische Eigenschaften geknüpft, was sich auch im Umgang mit dem Konzept zeigt. Wer ein »Mann« ist, wird nicht über biologische Tests festgelegt, sondern primär über soziale Performance: Wer sieht männlich aus, wer bewegt sich männlich, wer verhält sich männlich, wer spricht männlich, wer wird als Mann behandelt. Der Schluss davon auf Männlichkeit ist aber mit biologischen Annahmen verbunden. Anders als bei »Frau« gibt es im Deutschen zur Markierung einer sozialen Hierarchie und Anstandsnormen auch das Wort »Herr«, das keine biologische Bedeutungsebene hat.
Während nun die trans Bewegung fordert, Wörter wie »Frau« oder »Mann« stärker von biologischen Vorstellungen zu lösen, tritt die transkritische Bewegung für eine konträre Bedeutungsverschiebung ein. Diese Verschiebung kann nicht beanspruchen, die aktuelle oder historische Verwendung dieser Wörter abzubilden, »Frau« oder »Mann« meinten nie ausschließlich biologische Merkmale, sondern primär soziale Rollen, die mit biologischen Annahmen verbunden waren und sind.
Wie die Wörter in 20 oder 100 Jahren verwendet werden, lässt sich heute nicht entscheiden. Es dürfte aus der Geschichte aber klar sein, dass soziale Aspekte im Vordergrund stehen: Eine Frau ist, wer in der Gesellschaft als »Frau« wahrgenommen und bezeichnet wird. Das kann eine adelige Herrin sein oder eine trans Frau. Festgelegt ist das nicht.