10 Wege, mit Kritik umzugehen

Negatives Feedback lässt sich nicht vermeiden, aber nutzen. 

Philippe Wampfler
5 min readJan 5, 2014

Ob in sozialen Netzwerken oder in unseren Dienstleistungsjobs: Wenn wir unsere Gedanken, Ideen und Meinungen äußern, erhalten wir darauf Feedback. Besonders negative Rückmeldungen — die oft vereinfachend Kritik genannt werden, obwohl damit im griechischen Sinn des Wortes Feedback im Allgemeinen gemeint ist (krinein bedeutet »unterscheiden«) — bieten viele Chancen, die wir uns durch falsche Reaktionen oft vergeben. Hier eine Überblick über Verhaltensweisen im Umgang mit Kritik.

1. Ignorieren

Zu oft scheint eine Reaktion auf Kritik unumgänglich, um sich selbst und die eigenen Äußerungen nicht als schwach dastehen zu lassen. Kritik zu ignorieren ist aber meist ein Zeichen der Stärke: Wer es sich erlauben kann, negative Rückmeldungen nicht zu beachten, demonstriert damit Sicherheit und Selbstvertrauen. Das lässt sich allein daran ablesen, wer es sich leisten kann, ganze Wellen von Kritik unkommentiert zu lassen.

2. Zurückfragen

Zugegeben: Eine etwas philosophisch-pädagogische Methode, aber eine wirkungsvolle. Wer zunächst bei jedem Feedback nachfragt, wie denn ein Begriff oder eine Aussage gemeint seien, kehrt den Rechtfertigungsdruck erst einmal um. Zu empfehlen ist auch die Frage nach einer Quelle für die Grundlage der Aussage. Sofort wirkt die Kritik nachlässig formuliert, die Absicht der Rückfragenden hingegen erscheint makellos: Rückmeldungen genau verstehen zu wollen ist äußerst ehrbar, dagegen kann kaum jemand etwas einwenden. Wer nicht bereit ist, Kritik zu präzisieren, scheint es nur auf einen billigen Angriff abgesehen zu haben, wer nachbessern muss, scheint unsauber zu denken.

3. Legitimation zur Kritik absprechen

Die Vorstellung, dass erst eine bestimmte Erfahrung oder Leistung eine Person befähige, andere zu kritisieren, ist durchaus verbreitet. Wirtschaftsfreundlich eingestellte Menschen halten Personen, die vom Staat Geld bekommen oder nicht selbst Arbeitsplätze geschaffen haben, oft nicht für satisfaktionsfähig in ökonomischen Diskussionen. Dasselbe gilt für Sportdiskussionen: Geht man davon aus, dass erbrachte Leistungen nur von Menschen beurteilt werden dürfen, welche selbst bessere erbringen könnten, wird die Reihe der Kritikerinnen und Kritiker schnell gelichtet.

Sehr beliebt ist es auch, Gegnerinnen und Gegner einer bestimmten Gruppe zuzuordnen: »Klimaleugner«, Linke oder Feministinnen können ja — weil sie eben sind, was sie sind — keine schlagenden Argumente haben, ergo entstammt ihre Kritik allenfalls einer komplett verfehlten Ideologie, anderenfalls den Wahnvorstellungen, welche zur Zugehörigkeit in dieser Gruppe geführt haben.

4. Die Neid- oder Empörungsstrategie

Verwandt mit der Herabsetzung der kritisierenden Person ist die Reaktion, bei der ihr unlautere Motive unterstellt werden, welche zur Kritik geführt haben. Wäre die andere Person nicht so empört oder eben neidisch (das sind nur zwei Beispiele), dann hätte sie auch keine so geartete Rückmeldung verlauten lassen, sondern munter Beifall geklatscht. Der Vorwurf sitzt meist: Es ist nicht leicht, sich dagegen zu verwahren, empört oder neidisch zu sein; zumal Kritik sehr oft mit Empörung und Neid gekoppelt ist, was sie aber nicht grundsätzlich entschärft.

Eine Variante ist die Kritikerin oder den Kritiker als generell humorlos oder übermäßig genau — z.B. als Rabulist — darzustellen. Damit wird gesagt, dass ein wenig Humor oder ein verbreitetes Maß an common sense dazu führten, dass die Kritik als haltlos angesehen wird. Aus diesem Grund muss darauf gar nicht erst eingegangen werden.

5. Tit-for-Tat

In der Spieltheorie spricht man bei einer Strategie, bei der ein nicht-kooperatives Verhalten damit bestraft wird, dass die Kooperation ebenfalls verweigert wird, von Tit-for-Tat, deutsch: »Wie du mir, so ich dir«. Das lässt sich auch im Umgang mit Kritik praktizieren: Statt darauf einzugehen, was andere bemängeln, einfach eine ihrer Äußerungen verurteilen.

6. Abwarten

Wenn wir von Yakari etwas gelernt haben, dann das: »Man muss warten können.« Eine zu schnelle Reaktion auf Kritik verschüttet viele Möglichkeiten, die einen Vorteil verschaffen. Meist werden die Kritikerinnen und Kritiker ganz von alleine entweder unsichtbar gemacht, indem ihre Kommentare von Lob überdeckt werden, oder dann in Gespräche verwickelt, welche die eigentliche Kritik verwässern oder in den Hintergrund treten lassen.

7. Vorschläge einfordern

Eine beliebte Derailing-Strategie besteht darin, Kritikerinnen und Kritiker in die Pflicht zu nehmen. Wenn sie sich schon so negativ geben, dann können sie auch gleich ausführlich darlegen, wie denn das eigene Argument zu formulieren wäre, welche wissenschaftlichen Theorien denn die eigene Aussage widerlegen oder weshalb der blinde Fleck wirklich einer ist. Wie 2. wirkt das meinst sehr konziliant und nimmt denen, die zwar nicht einverstanden sind, aber nicht beabsichtigen, Kurse abzuhalten, den Wind aus den Segeln.

8. Verlagerung auf eine Meta-Ebene

Geht am einfachsten so: Aus einer scheinbar neutralen Perspektive wird eine Analyse von bestimmten Haltungen verfasst, welche mit der konkreten Diskussion auf den ersten Blick nichts zu tun haben, sich aber grundsätzlich nur damit beschäftigen. Wird bei der Chefin nach einer neuen Version des Dokuments zur Konfliktkultur nachfragt oder einen Blogpost über 10 Wege verfasst, wie man mit Kritik umgehen kann, wirkt das, als würde man ganz sachlich wichtige Aspekte anzusprechen, ohne einen Ausweg aus einer Diskussion zu suchen — obwohl gerade diese Absicht dahintersteckt und alle Eingeweihten das auch wissen; es aber nur kundtun können, indem sie sich selbst als unsachlich und verwickelt in persönliche Animositäten präsentieren.

Es gibt unzählige Möglichkeiten, wie die Diskussion auf eine Ebene verlagert werden kann, die mit der ursprünglichen Diskussion nichts mehr zu tun hat und mindestens ein level playing field schafft, wenn nicht sogar die eigene Position als fast unangreifbar darstellt. Beliebt sind Vergleiche — wer sich zu Prostitution äußert, spricht eigentlich über Sklaverei; wer einem Staat das Recht zuspricht, Steuern zu verlangen, befürwortet Diebstahl — oder auch der Anruf von Autoritäten: Die Kritik am konkreten Argument wäre dann eigentlich die Kritik an einem Standardwerk oder an einer machtvollen Person, hinter denen die eigene Position gut geschützt ist.

9. Unterwürfigkeit

Sich halb-ironisch, halb-ernst herabsetzen, indem man der kritisierenden Person mehr Kompetenz, Erfahrung und Sachkenntnis zuspricht, scheint zunächst eine schwache Reaktion, sie verunsichert aber alle Beteiligten dermaßen, dass sie gleichwohl in vielen Fällen zu empfehlen ist. Die Reaktion darauf kommt nämlich einem Dilemma gleich: Entweder akzeptiert die Kritikerin oder der Kritiker das angebotene Lob und entlarvt sich als überheblich und unfähig, Ironie zu erkennen; oder sie weist es von sich und präsentiert sich so implizit als unfähig, seriöses Feedback abzugeben.

10. Kritik annehmen

Rückmeldungen sachlich prüfen: Begründen, welche Teile davon einem nicht weiterhelfen, die eigene Position zu verbessern, die anderen ohne Seitenhiebe akzeptieren und sich dafür bedanken. Klingt einfacher als es ist.

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Philippe Wampfler

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